Erlebnisbericht von Martin zum OLD FIRM vor dem Zwangsabstieg der Rangers in 2012

28.Dezember 2011 , 7:45pm! Sicherlich das absolute Highlight meiner Fan-Karriere! Good old days in Glasgow-town! OLD FIRM TIME und dazu eines der letzten Derbys vor dem Zwangsabstieg der Rangers in 2012! CELTIC vs Rangers  ,IRLAND vs. England  ,der Nordirland-Konflikt ist allgegenwärtig  ,tiefster Hass,  Morddrohungen im Vorfeld gegen Celtic Manager Neil Lennon , ein Ire und ein Engländer an diesem Tag in der gleichen Straße…unvorstellbar  ,  jedes deutsche Fußball – Derby hiergegen ein Freundschaftsspiel …und das Ganze auf schottischem Boden!   Das versprach eine Menge Abenteuer und Adrenalin!

Mit von der Partie waren 4 weitere Kumpel, die sich das hochbrisante Fußballspiel, auf das nicht nur die schottische Premier League hinfiebert, auf keinen Fall entgehen lassen wollten.

Die Fußballtour wurde dezent am Boxing Day Abend mit einer Kneipentour in meiner Heimatstadt eingeleutet und schlafen machte keinen Sinn , da uns am Morgen des 27.Dez. ein Ryanair – Linienflug  nach Edinburgh bringen sollte! Also voller Vorfreude ordentlich Bier und Cocktails getankt bis im morgendlichen Taxi zum Flughafen die Augen zufielen und sich erst kurz vor Abflug wieder öffneten. Am Metropolen-Weltflughafen Hahn fielen uns weitere Blechbüchsen zum Opfer und auch in der Luft spielten die Apotheken-Preise für Cider keine Rolle! Angekommen und eingecheckt gegen halb 9 dann der erste große Schock!!! Auf die Zimmer durften wir erst ab 14 Uhr und noch schlimmer: Alkoholausschank erst ab 11 AM! Der Mob vertrieb sich die Zeit also damit, entspannte 2,5h die Krönungs-Zeremonie eines Kleinwüchsigen Hybriden in Nordkorea als Dauerschleife im Pub-TV zu begutachten! Tausende Soldaten und unzählige Panzer und Kriegsmaschinen rollten in unzähligen Wiederholungen über den Bildschirm…die Kriegsspielchen machten jedenfalls richtig Bock auf das anstehende OLD FIRM! Nach 2,5h am-Tresen-kratzen ging es dann endlich weiter…CIDER-TIME!!! Dosenweise angereicht (weil 50 Penny günstiger mit erschlichenem Studentpass…ok, wir sehen ja auch aus wie 19 =D) verschwand das göttliche Apfelgetränk in unseren Kehlen! Am frühen Abend endete die Grassmarket-Kneipentour dann im ältesten Pub auf der Meile…ein Power-Nap war nötig! Gestärkt von paniertem Snickers und Brötchen sowie rohen Pommes ging es nochmal auf Tour…diesmal gab es Guinness und zum krönenden Abschluss wurde eine örtliche Weihnachtsfeier im hinteren Teil unseres Pubs gestürmt und mit den nach Erdbeerparfum stinkenden, völlig überschminkten High-Heel-Muttis die wie Stelzböcke aussahen das Tanzbein bis in die Morgenstunden geschwungen! Ein gelungener Auftakt unserer Fußballreise.

Am Derbytag ging es recht früh nach Glasgow. Einchecken, gebuchte Tickets am Stadion abholen und ab ans Gallowgate, der Hauptstraße im Glasgower East End, die übersät mit Celtic-Pubs nach 3 Kilometern zum „Paradise“ Celtic Park führt! Es herrschte Ausnahmezustand. Überall Live-Musik, Partys, gut gelaunte „grün-weisse“ voller Vorfreude und im ganzen East-End war kein einziger „Engländer“ zu sehen! Die Lokalitäten waren zum Teil so überfüllt dass wir echte Probleme hatten die ein oder andere Hülsenfrucht zu organisieren! Die Freundschaft uns deutschen gegenüber war grandios…ohne zu Fragen wurde einem das ein oder andere Bier kredenzt!

Inzwischen war es dunkel und je näher das Spiel rückte desto klarer wurde einem die Aussage von den vielen Iren am Vorabend in Edinburgh „It will be electric!!! Thats more than football“…die Luft war wie aufgeladen!! Geil! So muss es sein..relativ früh wechselten wir die Lokalität und fielen in ein  Pub vor dem Stadion ein, das erst richtig voll wurde als sich der Gallowgate Fan-Mob in unsere Richtung bewegte. Dort sammelte sich dann alles was Rang und Namen hatte…ein alter IRA-Kämpfer salutierte mehrfach vor Bildern von verstorbenen Kameraden oder Celtic Legenden (unter seinem IRA-Sonntagsanzug trug er natürlich ein Celtic-Trikot)
, Hardcore-Republikaner, kleinere Jugendgangs in Stone Island die gegen die Rangers hetzen, Bier-Monster, Kutten und Zahnlose Mutanten-Frauen mit nur 4 Zehen pro Fuß (Sandalen Ende Dezember gibt’s auch nur auf der Insel). Begleitet wurde die Szenerie mit reichlich flüssigem Gerstensaft und unzähligen Gesängen gegen den ungeliebten Nachbarn, die englische Krone und das United Kingdom! Abgrundtiefer Hass, wie ich ihn noch auf keiner Fußballreise erlebt hatte…und ich habe schon so einigen Stadtderbys beigewohnt.

Angestochen mit dem Gefühl eines Gänseblümchens machten wir uns mit einer Gruppe Bier-Monstern aus Belfast dann auf den Weg zum 200 Meter entfernten „Parkhead“…das Ganze aber nicht bevor sich unsere neuen Kumpels jeweils 2 Lappel-Brötchen mit rohen Pommes gefüllt zwischen die Beißer drückten…abartig! Aber das scheint hier vor Premier League Spielen so Brauch zu sein.

Draußen war es stockduster und Supersturm El Ninó war soeben in Glasgow eingetroffen. Rauf auf die Tribüne und erstmal ein wahnsinns „You´ll never walk alone“ einatmen! Die Atmosphäre war unbeschreiblich…es gab keine Heim-Fankurve, JEDER Sang mit und diejenigen die dicht an den Rangers standen sangen nochmal 4fach so laut..einfach geil! Dann schoss Celtic das 1:0 und das ganze Stadion rastete aus…beim folgenden „Just cant get enough“ hatten wir Glück, dass das Stadiondach nicht einkrachte!! Ein „Huddle“ bei dem sich alle mit dem Rücken zum Spielfeld drehten, in die Nebenmänner einhakten und dabei hüpften rundete die Euphorie ab…das ganze Stadion bildet dabei einen eingeschworenen Kreis. Es blieb beim 1:0, Rod Stewart rastete auf seinem Seat-4-life Dauerkartenplatz völlig aus und alle waren bestens drauf! Völlig abgekämpft ging es nochmal in die Innenstadt (sämtliche Fankleidung war hier verboten) und in der Glasgower Nacht wurden glückselig die letzten Pints vernichtet. Anbandelungsversuche mit der örtlichen Damenwelt waren leider nicht mehr von Erfolg gekrönt…und ich dachte immer die Insel-Tanten stehen auf Bierflecken, Schweißgestank, fettige Haare und billige Anmachen.

Neuer Tag neues Glück…und das sollte kommen…auf anderem Wege!

Gefrühstückt und zurück zum Parkhead-Stadium erlebten wir eine geniale Stadiontour. Mit der im Old Trafford (englische Premier League, Manchester) sicher eine der besten meiner Fan-Karriere….ok, es waren die einzigen!

Es war noch Zeit bis zum Rückflug und so fanden wir uns wieder am Gallowgate ein…ab in die legendäre BAIRDS-BAR, die kleinste aber sicherliche bekannteste aller Celtic-Fanpubs vor Ort. Kein cm Platz war mehr an den Wänden…sämtliche Schals, Fahnen, Shirts und Bilder wurden an der Decke befestigt. Voll gepumpt mit Nostalgie wurden reichlich Pints und schottischer Whisky geordert und die Kehle runtergespült. Ein ca. 80 jähriger im Smoking, der sich einen Gin-Tonic nach dem anderen in die Kehle kippte führte uns dann ins „Headquarter“, so wird die Bar67 liebevoll von den East-End Bewohnern genannt und spendierte uns eine Runde Pints. Das sollten die letzten für uns in Glasgow werden, denn die Heimfahrt stand an. Im Taxi zum Bahnhof blickten alle wehmütig auf die Stadt…keiner wollte heim und tief im Inneren wünschten sich alle, dass aufgrund von El Ninó heute alle Flüge in die Heimat gestrichen würden. Hoffen vergebens…der Vogel hob ab! Wir waren uns bewusst, dass wir etwas Einmaliges erlebt hatten und im Flieger wurden die letzten Apotheken-Cider geordert!

Von diesem Fußballtrip zum OLD FIRM zehre ich bis heute und erst danach wurde mir bewusst, welchen Einfluss der Krieg in Irland und Nordirland bis heute auf den Fußball hat und worin letztendlich die irische Bevölkerung verteilt auf die ganze Welt den Widerstand gegen das britische Empire ausdrückt…im Verein Celtic Glasgow…IT‘S MORE THAN FOOTBALL!! Cheers!